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Das Jahr 1867 gilt als Gründungsjahr einer Uhrmanufaktur in Besançon (F). Der Gründer war der aus dem Elsass stammende
Emmanuel Isaac Lipmann (*1844 in Neuf/Brisach, +1913 in Besançon). Er war der Sohn eines elsässischen Uhrmachers, der im Winter Uhren reparierte und baute, die er im Sommer als Hausierer vertrieb.
Dieses unstete Leben mochte Emmanuel Lipmann nicht weiterführen und eröffnete eine kleine Uhrenwerkstatt in dem schon damals als Uhrenzentrum bekannten Besançon.
Schon bald beschäftigte er 16 Mann in seinem Betrieb. Rohwerke für seine Uhren bezog er von schweizerischen und lokalen Ebauchefabriken.
Emmanuel Lipmann heiratete im Oktober 1868 Caroline, geb. Geismar. Aus dieser Ehe entstanden drei Kinder (Ernest, Camille und Jenny).
Lipmann war nicht einfach nur Uhrmacher, sondern auch Entwickler und Erfinder, wie die zahlreichen Patente, die ihm zugeschrieben werden auch beweisen
(z.B. CH5713 v.1892; CH7017 v.1893; CH9001 v.1894).
Ab 1893 stiegen seine Söhne mit in den Betrieb ein. Die Firma wurde daher umbenannt in "S.A. d'Horlogerie Lipmann Freres".
Damit stieg auch die Anzahl der Mitarbeiter auf 25. Der jährliche Ausstoss stieg auf 2500 Uhren (1895) an.
Diese wurden unter dem Namen "Gallus", "la Nantaise" und "Tandem" vertrieben.
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Zum Jahrhundertwechsel übernahmen die Söhne Ernest David Lipmann (1869-1943) und Camille Lipmann (1872-1947) den Betrieb vollständig und
bauten ihn zu einer Manufaktur aus.
Um 1900 stellte die Manufaktur ihr erstes eigenes Rohwerk vor. Es war das 20mm gr. Kaliber 20, welches als Armbanduhrkaliber konzipiert war.
1907 wurde auch das erste eigene Fabrikgebäude bezogen. 1910 stieg die jährliche Produktionsrate auf 10000.
Auch die Söhne waren in der Uhrenentwicklung maßgeblich involviert (CH42559 v.1907; CH49457 v.1910).
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Marie und Pierre Curie
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Ausgerechtnet letztgenanntes Patent (Abb. s.o.) war revolutionär. Es ermöglichte das Ablesen der Uhrzeit bei Dunkelheit.
Für dieses Patent beauftragte die Firma Lip die Geschwister Curie zur Entwicklung von lumineszierenden Stoffen, die dann auf Zifferblätter und Zeiger
aufgetragen werden konnten. Diese Stoffe bestanden aus einer Verbindung von Zinksulfit und Radium.
Diese Uhren waren beim Militär sehr gefragt.
Während des 1.WK baute die Firma aber auch Geschosszünder. |
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Die hohe Qualität der Uhren der Firma "LIP" äusserte sich zusätzlich beim Bau von
Chronographen und vorallen von Präzisionsuhren.
Die Firma erhielt im Jahr 1900 und im Jahr 1901 jeweils die Goldmedaille vom "Observatoire National de Besançon", dem französischen Gegenstück der COSC.
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Die Präzisionsuhren erhielten die eigene Marke: "Chronometre Lip", welche auf dem Zifferblatt aufgedruckt war.
Zertifizierte Chronometer erhielten auf dem Uhrwerk den "Viper"-Stempel graviert.
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Die Marke wurde in Frankreich am 31.12.1896 und am 20.04.1899 registriert,
in Deutschland am 12.12.1900 durch die allein vertretende Firma M. Bloch, Berlin (s.u.).
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Nachdem die Firma die Weltwirtschaftskrise der 20er Jahre überstanden hatte mauserte sie sich in den 30ern zum größten Uhrenhersteller Frankreichs (360 Mitarbeiter fertigten 40.000 Uhren pro Jahr).
Im Jahr 1931 wurde sie in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Sie erhielt den Namen "LIP S.A. d’Horlogerie".
Die Gesellschafter waren James Lipmann (Sohn von Camille) Geschäftsführung, Fred Lipmann (Sohn von Ernest) Technischer Direktor und Lionel Lipmann (Sohn von Ernest) Kommunikationsmanager.
In dieser Zeit (1933) entwickelte die Firma ihr erfolgreichstes Rohwerk, das Kaliber T.18.
Eine Kooperation mit der Firma Ericsson führte zur Entwicklung des Synchronelektromotors der in Penduletten und Zählern Verwendung fand.
Hieraus entstand ein eigener Zweigbetrieb.
Das rasend schnelle Wachstum der Manufaktur verschlang sämtliche finanzielle Ressourcen. Es war daher notwendig neues Geld aufzutreiben.
Ein Geschäft mit Russland, welches Fred Lip eingestielt hatte, versprach Abhilfe. 1928 erwarb Russland ja die Firma Hampden-Dueber und transverierte sie nach Hause.
Hervorragende Uhren konnten damit aber noch nicht hergestellt werden. Beim dem Geschäft mit LIP , welches 1936 abgeschlossen wurde, erhielt Russland
Uhrwerke, Maschinen und technisches KNOW-HOW. Exportiert wurden die Kaliber T.18 (Tonneaukaliber, russ. "SWESDA"), R.43 (Taschenuhrkaliber, russ. "ZIM"), R.26
(russ. "Popjeda") und R.36 (russ. "Saljut" u. "Molnija").
Die in der Zeit von 1965 bis 1973 produzierten Poljot-Uhren waren nahezu identisch zum R.25-Kaliber. Uhrwerke der Firma Slava hatten eine hohe
Ähnlichkeit zum T.15-Kaliber. Die Kooperation führte sogar Entwicklung einer russisch-französischen Quartzuhr in den 70ern.
Es folgten die unruhigen Zeiten des 2.WKs, welche sich dramatisch und grauenhaft auf die Firma und die Familie Lipmann auswirkte.
Mit der Eroberung Frankreichs durch die Deutschen wurde die Firma 1939 annektiert, teilweise demontiert und gezwungen Uhrwerke für Junghans zu fertigen.
Schlimmer noch war aber, dass Ernest Lipmann und seine Gattin von den Deutschen verhaftet und am 05. November 1943 ins Lager nach Drancy verschleppt wurden.
Am 20. November 1943 deportierte man sie mit dem Konvoi 62 nach Auschwitz. Von dort kehrten sie nicht zurück.
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Fred Lip
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Nach dem 2.WK wurde Fred Lipmann (*02.11.1905 in Besançon, +09.11.1996 in Paris, selbst umbenannt in Fred Lip) alleiniger Direktor der Firma
(James und Lionel Lipmann kehrten nicht zur Firma zurück, James arbeitete für Jean Monnet (Monnet-Plan)).
Fred kam als Sohn des Ernest Lipmann am 02.11.1905 in Besançon zur Welt. Er ging nach Paris zur Schule, verließ sie aber im Jahr 1922 ohne Abschluß.
Er begab sich zurück zur Familie und begann eine Ausbildung zum Uhrmacher an der Uhrmacherschule in Besançon.
Nach Absolvieren der Militärzeit ging er 1928 auf Reisen in die USA um sich weitere Kenntnisse in der Uhrmacherei anzueignen.
Dabei besuchte er auch die Motoradfirmen Harley Davidson und Indian.
1931 kehrte er zurück und trat im August in den elterlichen Betrieb ein.
Fred bemühte sich 1945 um Rückführung der Maschinen aus Deutschland und begann noch im selben Jahr mit der Produktion.
Fred bemüht sich aber ganz besonders um die Entwicklung von elektrischen Kalibern.
Die Entwicklung begann bereits in den 30ern und führte zur weltweit ersten elektrisch betriebenen Armbanduhr mit dem Kaliber R.27.
Die Besonderheit dieses Kalibers war, dass es zwei Batterien benötigte. Es wurde 1958 lanciert.
Von diesem Werk wurden lediglich 7000 Stück gefertigt und ist bei Sammlern heiss begehrt.
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Lip R.27
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Das Nachfolgemodell ist R148. Es kam im September 1962 auf dem Markt.
Es ist im Vergleich zum Vorgänger deutlich servicefreundlicher, deutlich robuster und benötigte nur eine Batterie.
Es ist sehr häufig auch von Fremdfirmen ("Belforte", "Benrus", "Gervais Pernaud", "Sovereign", "Stowa", "Vulcain", "Waltham") verbaut worden.
Häufig arbeiteten in Uhrengehäuse des Designers Roger Tallon dieses Werk.
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Lip R.148
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1961 wurde ein Werk eröffnet, welches bei voller Auslastung 500000 Einheiten pro Jahr produzieren konnte.
Dieses Werk war eindeutig zu groß dimensioniert und brachte die Firma in wirtschaftliche Schwierigkeiten.
Rettung versprach man sich in der Herstellung von Billiguhren für Timex mit der Marke "Kelton". Aber auch hier blieb der Erfolg aus.
Die Ebauche S.A. übernahm daraufhin einen Großteil der Aktien und verabschiedete im Jahr 1971 Fred Lip aus der Geschäftsführung.
Jacques Saint-Esprit wurde als Nachfolger bestimmt. Aber auch ihm gelang es nicht die Firma zu retten. 1973 meldete LIP den Konkurs an.
Die Belegschaft akzeptierte den Konkurs nicht, besetzte die Firma und verkaufte die Lagerbestände in Eigenregie.
Dieses brachte aber nicht die Wende.
1974 übernahm Claude Neuschwander die Führung und schaffte aber nur kurzeitig mit dem Designermodell "Mach 2000" eine Wende. 1976
wurde er von den Aktionären entlassen. Ein Konkursverfahren wurde erneut eingeleitet. Die Firma wurde am 12. September 1977 endgültig liquidiert.
Auch ein erneuter Versuch in den 80ern unter der "Kiplé SMH" führte nicht zum Erfolg.
1990 erwarb Jean-Claude Sensemat die Markenrechte und lancierte "LIP" mit Retromodellen diesmal erfolgreich am Markt.
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